Heute möchte ich Euch ein Buch vorstellen, das sich dem Thema „Antidepressiva absetzen“ widmet. Es wurde von meinem Bloggerkollegen Mischa Miltenberger gemeinsam mit der Autorin Melanie Müller verfasst, die beide ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit dieser Thematik machen mussten.
Neben diesen Erfahrungen haben Mischa unzählige E-Mails seiner Leser dazu gebracht, sich dem Thema „Antidepressiva absetzen“ in einem Buch ausführlich zu widmen. Ich durfte das Buch bereits lesen und bin daher in der glücklichen Lage, dieses Werk rezensieren zu können.
Worum geht es?
Der Titel „Antidepressiva absetzen: Dein Wegbegleiter mit unseren Erfahrungen & wertvollsten Tipps“ ist Programm. Das Buch soll dem Leser eine Hilfestellung bieten, wenn er sich mit dem Gedanken befasst, wie er Antidepressiva absetzen kann.
Da ich während meiner Angststörung keine Antidepressiva eingenommen habe, kann ich keine persönlichen Erfahrungen beitragen. Aus den Rückmeldungen meiner Leser weiß ich jedoch, dass sich Betroffene diesbezüglich mit zwei großen Entscheidungen konfrontiert sehen:
1. Soll ich Antidepressiva einnehmen?
2. (vorausgesetzt man beantwortet die erste Frage mit „ja“) Soll ich Antidepressiva absetzen?
Auf beide Fragen kann man keine allgemeingültigen Antworten geben. Das Ganze ist immer individuell zu betrachten und so signalisieren auch Müller und Miltenberger, dass man Antidepressiva ohne Rücksprache mit einem Arzt/Therapeuten nicht absetzen sollte.
Ein weiterer Schwerpunkt des Buches behandelt die Symptome, die beim Absetzen der Antidepressiva auftreten können und die Schwierigkeit, ob diese Beschwerden nun für eine Rückkehr der psychischen Problematik sprechen und auf das Absetzen zurückzuführen sind.
Aufbau und Inhalt von „Antidepressiva absetzen“
Das E-Book besteht aus zehn Kapiteln, verteilt auf 121 Din4-Seiten. Wichtige Textpassagen sind markiert.
Damit der Leser weiß, mit wem er es zu tun hat, erzählen die beiden Verfasser gleich zu Beginn ihre ganz persönliche Geschichte. Beide haben mehr als zehn Jahre Antidepressiva zu sich genommen und leben heute komplett ohne diese Medikamente. Ihr Erzählstil ist flüssig und anschaulich.
Beide sind früher oder später Einsicht gelangt, dass es ohne Veränderungen keine Heilung geben kann. Wie ich in diesem Beitrag (*klick) bereits geschrieben habe, habe ich mich unter anderem genau aus diesem Grund damals gegen die Einnahme von Antidepressiva entschieden: Weil ich befürchtete, dass meine Angststörung lediglich unterdrückt würde und alle Probleme weiterhin Bestand haben. Mischa’s und Melanie’s Geschichte bestätigen mich in dieser Befürchtung.
Im weiteren Verlauf des Buches erhält der Leser Tipps für das Absetzen von Antidepressiva. Es werden Themen behandelt wie die Angst vor dem Absetzen oder die Bedeutung des richtigen Umfeld. Außerdem werden Lebenstipps und (alternative) Hilfsmittel thematisiert, die bei der Überwindung von psychischen Problemen helfen können: Sport, Ernährung, Heilpflanzen, Homöopathie und ätherische Öle.
Zudem haben sich die Autoren professionelle Gesprächspartner gesucht, mit denen sie Interviews geführt haben. Allen voran: Die österreichische Psychologin Monika Szelag und der Chefarzt und Blogger Dr. Jan Dreher.
Beide stellen Antidepressiva durchaus als nützlich und hilfreich dar, weisen jedoch auch darauf hin, dass Antidepressiva oftmals etwas vorschnell verwendet werden. So berichtet Dreher, von einer Studie, die belegen soll, dass Antidepressiva allenfalls bei schweren Depressionen wirken.
Sehr sympathisch fand ich die Aussage Dreher’s, dass Psychiater keinesfalls immer so tun müssten, als würden sie alles wissen. Aus meiner Sicht trifft das generell auf Ärzte zu (sind halt auch nur Menschen ;)), vielleicht aber auf Ärzte, die sich mit der Psyche des Menschen befassen, im Besonderen. Die Wissenschaft weiß gerade in diesem Bereich sehr viel nicht. Das menschliche Gehirn ist sehr komplex. Mehr als einmal habe ich mir die Frage gestellt, ob wir etwas überhaupt im Detail verstehen können, wenn wir dieses doch zum Verstehen benutzen?
Weiterhin bestätigt mich Dreher in der Befürchtung Antidepressiva ist lediglich Symptombekämpfung. Ich finde, dass Symptombekämpfung hilfreich sein kann, da manche Menschen aufgrund der Schwere der Symptomatik nicht in der Lage sind, sich mit sich und ihrem Leben zu befassen. Wenn man sich allerdings nicht um dahinterliegende Probleme kümmert, kann sich auch nichts verändern und dementsprechend auch nichts verbessern. Ich empfinde es als traurig, dass es Ärzte gibt, die Medikamente verordnen, ohne deren Einnahme mit einer Therapie zu verknüpfen.
Auch Monika Szelag schlägt in die gleiche Kerbe. Wenn nicht an den Ursachen gearbeitet wird, können die Probleme bestehen bleiben und nach dem Absetzen wieder auftreten. Damit bestätigt sie meine Erfahrungen in der Arbeit mit Betroffenen.
Und auch um Symptome, die während des Absetzens von Antidepressiva auftreten können, geht es. Diese (körperlichen) Symptome sind natürlich unangenehm und können Angst machen. Hinzu können Symptome auf gefühlsmäßiger Ebene kommen: Unruhe, Angst, depressive Stimmung. Das Problem: Betroffene können nicht mehr unterscheiden, was Absetzsymptome und was Anzeichen eines Wiederauftretens der psychischen Erkrankung sind.
Eine wundervoll tröstliche Aussage finde ich diese, dass es schwere, langwierige Lebensphasen geben kann, was aber keineswegs bedeutet, dass man bis an sein Lebensende leiden und eingeschränkt sein wird.
Kosten und Bonusprodukte
Das E-Book bekommst Du für 19 Euro inklusive MwSt. Neben dem E-Book bekommt der Leser Zugriff auf drei Videointerviews mit einer Heilpraktikerin, einer Ayurveda-Expertin sowie einer Ernährungsexpertin. Insbesondere den (zu diskutierenden) Einfluss von Ernährung auf die Psyche finde ich extrem interessant.
Eine schöne Idee finde ich den „Mutmacher-Wochenplan“, einen Worksheet, der in schwierigen Zeiten (wie der Name schon sagt) Mut macht und den Leser während des Absetzens eine Hilfestellung bieten kann.
Antidepressiva absetzen Fazit und Kritik
Tolle Experten, ein flüssiger Schreibstil, ein verständnisvoller Ton ohne nervige Belehrungen. Um kritische Punkte zu finden, musste ich schon ein wenig suchen. Letztlich habe ich zwei gefunden.
Schade finde ich, dass es kein Taschenbuch gibt. Ich bin zwar durchaus ein Fan von E-Books, doch halte ich gerne auch mal ein „echtes“ Buch in der Hand. Update: Inzwischen ist „Antidepressiva absetzen“ auch als richtiges Buch erschienen. –>Klicke hier für weitere Infos <–
Zudem bin ich ein Befürworter einer Geld-Zurück-Garantie (gerade wenn es um E-Books geht). Schließlich besteht für digitale Produkte kein gesetzlich verankertes Widerrufsrecht. Und wenn dieses Buch einzelnen Lesern nicht gefällt, sollte es die Möglichkeit geben, eine Erstattung des Kaufpreises zu beantragen.
Insgesamt ist dieser Ratgeber ein rundum gelungenes Werk. Dabei verlassen sich die Autoren nicht nur auf ihre eigenen Erfahrungen, sondern lassen Experten zu Wort kommen. Denen gelingt trotz des durchaus kritischen Unterons gegenüber dem leichtfertigen Einsatz von Antidepressiva, derartige Medikamente nicht zu verteufeln.
Die Ängste und möglichen Symptome des Lesers, die beim Absetzen auftreten können, werden ernst genommen. Gleichzeitig werden Alternativen aufgezeigt und dem Leser wird verdeutlicht, dass ohne Veränderungen keine Gesundung herbeigeführt werden kann.
Antidepressiva können als Symptombekämpfung hilfreich sein. Die isolierte Einnahme hingegen scheint allenfalls bei schweren Depressionen sinnvoll zu sein. Man muss auch bereit sein, etwas zu verändern, sonst kann sich nichts verbessern. Dabei kann therapeutische Unterstützung eine Hilfe sein.
Und für mich kommt eines klar zum Ausdruck: Der Leser sollte seine Erwartungshaltung überdenken. Denn auch darum werden mehr und schneller Antidepressiva verschrieben. Schnell und auf Knopfdruck gibt es keine Heilung. Der Heilungsprozess braucht eines: Zeit.
Hallo Sebastian
Ich finde diesen Beitrag toll. Ich selber kenne dieses Buch nicht aber so wie du es beschreibst würde ich es selber kaufen wenn ich AD absetzen müsste. Ich selber habe 6 Jahre AD genommen. Nach ca. 2 Jahren dachte ich es geht mir doch gut und habe einfach meine AD abgesetzt. Es war der Horror da ich mich sehr schlecht fühlte. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schüttelfrost, Schwindel etc. Nach einigen Tagen ging ich zum Arzt weil ich ja nicht wusste was mit mir los war. Dazumal wusste ich nicht, dass man AD’s nicht einfach so absetzen. So nahm ich diese sofort wieder ein und es ging mir wieder gut. Dieses Jahr habe ich mich sehr stark mit dem Absetzen von AD’s auseinander gesetzt und diesen Schritt gemacht. Ich habe meine AD ausgeschlichen und auch wenn ich ab und zu mal mich nicht dabei wohl fühlte zog ich es durch. Ich machte dies ohne ärztliche Begleitung. Warum? Weil ich genau weiss, dass sehr viele Ärtze dazu neigen (wie auch mein Arzt) die Absetzsymptome als Symptome der Krankheit darzustellen und sagen man müsse die AD’s weiter einnehmen da man noch nicht so weit sei für ein Absetzen. Ich habe 6 Jahre lang täglich 10mg eingenommen und habe es innert 3 Monaten ausgeschlichen und abgesetzt. Die einen werden sagen das war zu schnell. Ich war in Foren wo sehr viele bis zu einem Jahr ausschleichen. Ich habe halt einfach auf meinen Körper gehört und hatte Gott sei Dank das Glück dass es bei mir relativ reibungslos ging.
Fazit für mich über AD: Sich sehr gut überlegen ob man wirklich die AD’s braucht und sich dessen bewusst sein, dass man diese nicht von heute auf morgen einfach absetzen kann. Ich weiss aus Erfahrung dass die Ärzte gerne sagen dass die AD’s nicht abhängig machen und das 1 Monat ausschleichen reicht. Dem ist leider nicht so. Aber man kommt von diesen Medikamenten weg….es braucht einfach Kraft und Geduld.
Grüsse aus der Schweiz
Anerom
Vielen Dank für das Teilen deiner Erfahrungen. Das ist sicher für viele stille Mitleser sehr wertvoll und macht Mut!