Ich schaue auf den Monitor vor mir und kann es selbst kaum glauben. Die Karte zeigt den Standort des Flugzeugs an, in dem ich sitze. Wir befinden uns über Griechenland auf dem Weg nach Abu Dhabi. Nach zweistündigem Aufenthalt geht es weiter zu meinem eigentlichen Ziel: Bangkok, Thailand.
Lange habe ich mit mir gehadert, denn ich war noch nie in Südostasien. Eine vollkommen fremde Kultur wartet auf mich, tropisches Klima und Mücken. Ja, es gibt Schlangen, Würfelquallen und Tiger in Thailand. Doch es sind diese kleinen summenden Biester, die für so manch schlaflose Nacht im Vorfeld meiner Reise verantwortlich sind.
Dengue – eine tückische Krankheit
Mücken in diesem Teil der Welt können Krankheiten übertragen, mit denen nicht zu spaßen ist: Malaria, japanische Enzephalitis oder den Zika-Virus. Doch vor allem habe ich Angst davor, dass mich eine asiatische Tigermücke mit Dengue infiziert.
Dengue. Weniger gefährlich als Malaria, kommt aber in Thailand wesentlich häufiger vor. 400 Millionen Menschen weltweit erkranken jährlich an dieser Krankheit, 100 Millionen davon habe schwere Symptome, die eine ärztliche Behandlung erforderlich machen. 25.000 von ihnen sterben daran.
Eine Impfung wurde gerade erst entwickelt und ist in den meisten Ländern noch nicht zugelassen. Zudem steht die Impfung in Verdacht, schwere Verläufe sogar wahrscheinlicher zu machen. Und anders als bei Malaria gibt es kein Medikament gegen Dengue. Man kann nur symptomatisch behandeln.
Der Anteil der Todesfälle an der Gesamtzahl der Erkrankten ist nicht besonders hoch. Schwere Verläufe, die mit inneren Blutungen einhergehen sind selten. Krankenhausaufenthalte sind jedoch nicht ganz so selten. Und oftmals haben die Betroffenen wochenlang mit Symptomen wie Abgeschlagenheit zu tun. Nicht schön. Gar nicht schön.
Unsere Vorstellungen machen uns Angst
Hohes Fieber und Knochenschmerzen kommen fast immer vor. Nicht umsonst bezeichnet man Dengue auch als „Knochenbrecherfieber“. Und ich habe mir vorgestellt, wie ich auf meinem Hotelzimmer liege und mich vor Schmerzen kaum bewegen kann. Allein.
Diese Vorstellung hat mich hin und wieder daran zweifeln lassen, ob ich diese Reise antreten sollte. Ein Überbleibsel meiner Angststörung? Ich war schon immer ein phantasievoller Mensch. as ist nicht von meiner Angststörung übrig geblieben, das war schon immer da. Ich kann mich nach wie vor sehr gut gedanklich in einer Situation versetzen. Und diese Situation: Allein in einem Hotelzimmer. Mit großen Schmerzen und hohem Fieber. Diese Vorstellung macht Angst. Das ist ganz normal. Das würde jedem Menschen so gehen.
Und das ist auch das Problem, wenn man eine Angststörung hat. Es sind die Gedanken, die Angst machen. Die Vorstellung einer bestimmten Situation. Was passieren KÖNNTE…
Der Herzinfarkt im Flugzeug und keiner kann helfen.
Die Ohnmacht im Supermarkt und das Gefühl des Kontrollverlustes und der Hilflosigkeit.
Sprachlosigkeit während eines Vortrages und die Zuhörer machen sich lustig.
Diese Vorstellungen sind es, die Angst machen und es ist normal, dass man Angst bekommt. Die Gedanken sind das Problem. Und so war das auch beim bevorstehenden Trip nach Südostasien.
Anders als zu Zeiten meiner Angststörung weiß ich heute mit meinen Phantasien umzugehen.
Information: Das Problem
Manche Menschen machen sich vor so einer Reise wenig Gedanken. Thailand? Da fahren ja nun wirklich inzwischen viele Touristen hin. Habe noch nie gehört, dass es da zu Problemen kommt.
Man fragt allenfalls bei seinem Hausarzt nach, ob man noch irgendeine spezielle Impfung braucht. Und dann fliegt man. Irgendwie beneidenswert.
Ich könnte das nicht. Ich will informiert sein.
Wenn ich in ein Land fahre, in dem ich noch nie zuvor gewesen bin, informiere ich mich darüber. Wie ist die Sicherheitslage und die politische Situation? Gibt es derzeit Unruhen oder Konflikte innerhalb der Bevölkerung? Welche landestypischen Hinweise gilt es zu beachten? Was sollte ich auf keinen Fall tun? Und eben auch: Welche Krankheiten gibt es dort und wie kann ich mich schützen?
Und dann recherchiere ich. Und dann stößt man auch auf irgendwelche Horrorgeschichten.
„Ein Freund meines Freundes hatte Dengue. Er lag 3 Wochen im Krankenhaus, ehe er seine Heimreise antreten konnte.“
„Ich habe mir in Thailand tatsächlich Malaria eingefangen.“
„Eine Bekannte ist nach einer Berührung mit einer Würfelqualle gestorben.“
Und irgendwann bekommt man den Eindruck, dieses südostasiatische Land zu bereisen gleicht einem Selbstmordkommando. Die Horrorgeschichten scheinen die Normalität zu sein. Heute weiß ich, dass dieser Eindruck täuscht.
Als ich damals diese Angst vor Krankheiten hatte, habe ich dauernd im Internet recherchiert. Und man findet dort IMMER Horrorgeschichten zu Krankheiten und Symptomen. Jedes Symptom kann die Folge einer ernsthaften, tödlichen Erkrankung sein. Und darum rate ich dazu, diese Recherchen zu unterlassen und lieber gleich zum Arzt zu gehen. Ich recherchie in Bezug auf Krankheiten schon lange nicht mehr. Doch vor so einer Reise will ich informiert sein.
Information: Die Lösung
Und ich weiß, dass es Dengue gibt und ich weiß, dass diese Krankheit schwere Verläufe haben kann und in sehr seltenen Fällen sogar zum Tod führt. Und dann versuche ich meine Eindrücke ins rechte Licht zu rücken. 25.000 Todesfälle bei 4.000.000 Erkankungen sind weniger als 1 Prozent. Die Grippe fordert jährlich zwischen 250.000-500.000 Todesopfer weltweit. Davor fürchte ich mich ja auch nicht.
Im Zuge meiner Recherchen habe ich über viele Gefahren gelesen: Schlangen, Tiger, Erdbeben, der Straßenverkehr und eben Mücken. Teilweise haben mich die Informationen beunruhigt. Geängstigt haben mich bestimmte Vorstellungen. Was normal ist.
Und dann informiere ich mich darüber wie ich die Risiken minimieren kann:
- Tiger sind sehr selten und ich habe nicht vor, in den tiefsten Dschungel einzudringen.
- Erdbeben sind unwahrscheinlich. Mit einem Restrisiko muss man leben.
- Wenn man durch die Natur marschiert, sollte man laut sein. Dann hauen die Schlangen ab.
- Man sollte nicht mit dem Roller oder Motorrad fahren, schon gar nicht ohne Helm. Übermüdet oder betrunken sollte man auch als Fußgänger nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Dann hat man ganz gute Chancen den thailändischen Verkehr zu überleben.
- Um das Dengue-Risiko zu minimieren, sollte man Mückenstiche vermeiden. Zu diesem Zweck habe ich mir ein DEET-haltiges Anti-Mücken-Mittel besorgt, meine Kleidung mit Insektenschutzmittel imprägniert und ein Moskitonetz gekauft, welches ich über das Bett spannen kann.
Durch die weiterführenden Informationen weiß ich, wie ich Risiken minimieren kann. Dadurch gewinne ich Sicherheit und meine Ängste verringern sich.
Ich weiß, dass ein schwerer Verlauf sehr selten ist. Ich weiß, was im Fall der Fälle zu tun ist. Ich weiß, wie ich das Risiko einer Infektion drastisch senken kann. Informationen sind manchmal zwar ein Problem. Informationen bieten in vielen Fällen aber auch die Lösung.
Natürlich kann man die Risiken nicht vollständig ausmerzen. Alles birgt ein gewisses Risiko. Die größtmögliche Sicherheit bietet ein Leben auf der Intensivstation, angeschlossen an Überwachungsgeräten. Doch willst Du so leben?
Und jetzt sitze ich hier im Flugzeug. 10.900 Meter über dem Meeresspiegel. Starre auf den Bildschirm und kann es kaum glauben. Ein bisschen Schiss habe ich schon. Vor allem aber freue ich mich auf das vor mir liegende Abenteuer, denn ich bin vorbereitet.
Wie gut ich das nachvollziehen kann. Ich müsste letztes Jahr wegen der Angststörung eine Reise nach Sri Lanka absagen und habe nicht nur mich, sondern auch meinen Mann und dessen Sohn unglücklich gemacht. Trotz Angststörung wollte ich den Trip wagen und kurz vorher brach die Dengue-Epidemie aus. Mehr Infizierte als in den Jahren zuvor, mehr Todesfälle … ich kannte die Schutzmaßnahmen und war auch gut vorbereitet. 3 Wochen vorher war die Angst zu groß, ich konnte nicht fliegen. Seitdem befinde ich mich in Behandlung weil dies natürlich nicht die einzige Situation ist die Angst auslöst. Was Urlaubsreisen angeht ist auch sicherlich eine traumatisch Erfahrung (Blinddarm-OP in Ägypten während des Ramadans mit Nahtoderfahrung) ursächlich für die Angst. Nächstes Jahr soll es eigentlich nach Thailand gehen. Aber ich glaube, dass ich noch nicht soweit bin. Mal schauen, wo die Reise hingeht.
Ich drücke Dir die Daumen, dass es mit Thailand klappt. Dieses traumatische Erlebnis sollte durch einen erfahrenen Therapeuten soweit „bearbeitet“ werden, dass Du Dich überwinden kannst. Mit der Erfahrung, dass diese Urlaubsreisen gut ausgehen, bekommst Du die notwendige Sicherheit.
Interessanter Beitrag, ich war 2016 für 6 Wochen in Indonesien und wie es der Zufall will traten nach 1 Woche die typischen Symptome für Dengue Fieber auf, die Diagnose war schnell gesichert, der Verlauf war schwer, die Prognose schlecht. Nichts desto trotz muss ich sagen, dass mir diese Zeit über viele Ängste hingweggeholfen hat, da ich keine Wahl hatte und durch musste. Manchmal vielleicht nicht der schlechteste Weg auch wenn es mir auf eine andere Weise natürlich lieber gewesen wäre 😉
Stimmt, ich war jetzt in Indien, nur gegen den Standard geimpft und hatte keine Angst. Daher habe ich das Essen gut vertragen, obwohl man glauben möge, dass man aufgrund des vielen Abfalls in den Strassen leicht krank werden könne. Wenn man nicht übermäßig drüber nachdenkt, gewisse Regeln beachtet und mit Begeisterung an die Reise drangeht, wird man in den allermeisten Fällen nicht krank.