April 16

Sind Veränderungen zwingend notwendig, wenn man eine Angststörung loswerden will?

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Du sprichst immer davon, dass Veränderungen notwendig sind, wenn man eine Angststörung loswerden will. Das hört sich auch alles richtig und plausibel an. Was aber soll ich machen, wenn diese Veränderungen (jetzt oder in absehbarere Zeit) nicht realisierbar sind?

Diese Frage, die mir häufig gestellt wird, will ich im folgenden beantworten: Sind Veränderungen immer notwendig, um eine Angststörung loswerden zu können?

Ohne Veränderung kannst du keine Angststörung loswerden

Das Wichtigste vorab: Veränderungen sind auf jeden Fall, notwendig, wenn Du eine Angststörung loswerden willst. Zwingend. Wenn sich nichts ändert, kann sich auch nichts verändern. Das steht so fest wie das Amen in der Kirche. Veränderung bedeutet Aktivität. Veränderungen sind manchmal anstrengend. Und die Folgen einer Veränderung sind nicht immer vorhersehbar und immer mit einer gewissen Ungewissheit verbunden. Daher erfordern Veränderungen Mut.

Das ganze Leben ist übrigens immer Veränderungen unterworfen. Ob dir das passt, oder nicht. Das Leben ist ein Fluss, wie man so schön sagt. Du kannst Teil dieser Flusses /dieser Veränderungen sein oder du kannst dich gegen diese Veränderungen wehren. Wählst du die zweite Option, so wird das schmerzvoll sein. Die Strömung wird sich an dir auslassen. Dem Fluss ist es egal, ob du dort stehst oder nicht. Er fließt weiter. Es ist die bessere Wahl, Veränderungen willkommen zu heißen.

Paradoxerweise sträuben sich gerade die Menschen gegen Veränderungen, die Veränderung bitter nötig hätten, zum Beispiel Menschen, die eine Angststörung loswerden wollen. „Könnte ja alles noch schlimmer werden“.

Klar könnte es das. Könnte aber auch besser werden, oder? Und es kann nur dann besser werden, wenn es anders wird. Soviel vorab.

Was aber, wenn du bestimmte Dinge (auf den ersten Blick) nicht verändern kannst oder verändern willst?

Du kannst vielleicht nicht alles verändern…

Es gibt Dinge, die jenseits unseres Einflussbereiches liegen. Das betrifft äußere Umstände, aber auch andere Menschen. Wir können andere Menschen nur sehr bedingt verändern. Auf unsere (kleinen) Kinder mag das auf gewisse Weise noch zutreffen, doch schon bei unserem Partner hört das auf (auch wenn manche Frauen stetig daran arbeiten;)).

Wenn wir etwas nicht verändern können, müssen wir diese Unabänderlichkeiten akzeptieren, nach dem Motto „Gefällt mir zwar nicht, aber ich nehme hin, dass es so ist.“ Das Schlimmste, das wir tun können, ist mit diesen Umständen ständig zu hadern ohne sie zu verändern und ohne aktiv zu werden.

doch fast immer kannst du aktiv werden

Wir können in vielen Fällen nämlich doch etwas gegen äußere Umstände tun, die uns so nicht gefallen. Gefällt dir die politische Situation nicht, so werde politisch aktiv. Du haderst mit soziale Missständen, Umweltverschmutzung und Ähnlichem? Dann starte eine Initiative oder tritt einer entsprechenden Organisation bei. Engagiere dich.

Auch wenn Du bestimmte Situationen nicht sofort ändern kannst, ja, sogar dann, wenn dein Engagement überhaupt keine Auswirkungen auf die ungeliebte Situation hätte. Aktiv zu sein gibt dir ein besseres Gefühl. Du fühlst dich nicht mehr ganz so machtlos und weniger als Opfer der Umstände und das ist gut. Damit wirkst du der Angststörung entgegen.

Und wenn sich die Unzufriedenheit auf einen bestimmten Menschen bezieht, so kannst, du diese Menschen vielleicht nicht verändern – doch du kannst ihn aus deinem Leben verbannen (kleine Kinder ausgenommen). Hört sich hart an, doch du hast diese Option.

Alles das, was in deinem Einflussbereich liegt, das kannst du verändern. Manchmal halten uns gewisse Ängste davon ab.

„Wenn ich mich von meinem Partner trenne, dann stehe ich ganz alleine da. Was, wenn mich keiner mehr will?“

„Wenn ich meinen ungeliebten Job kündige und mich selbständig mache – was passiert, wenn ich scheitere? Dann verlieren wir womöglich Haus und Hof“.

Derartige Befürchtungen halten uns oft davon ab, notwendige Veränderungen umzusetzen. Manche Veränderungen können von jetzt auf gleich dein ganzes Leben umkrempeln. Ein Einschnitt, den viele Menschen mit einer Angststörung (leider) scheuen.

Dabei besteht manchmal auch die Möglichkeit, diese Veränderungen nach und nach umzusetzen. Okay, mit der Trennung vom Partner ist das eher schwierig. Eine Selbständigkeit beispielsweise könntest du jedoch auch nebenbei starten. Wenn notwendig könntest du deinen Job zunächst in Teilzeit ausüben oder dir einen anderen Job suchen, der dir etwas mehr Freiraum lässt. Es gibt immer Mittel und Wege.

Auch wenn du auf diese Weise nicht sofort (nur noch) selbständig bist, so wirst du auch hier wieder aktiv, hast die Veränderung bereits initiiert und das gibt dir wieder ein besseres Gefühl. Und alles, was dich besser fühlen lässt, ist hilfreich bei deinem Weg aus Angst und Panikattacken.

So gehst du vor…

Willst du eine Angststörung loswerden, so sind Veränderungen unumgänglich. Zu tausend Prozent. Nicht immer sind so gravierende Schritte, wie ein Jobwechsel oder die Trennung vom Partner notwendig. Das waren nur Beispiele. In vielen Fällen genügt die Änderung deiner Einstellung zu bestimmten Situationen. Hier geht es jedoch um die Frage, was man tun sollte, wenn Veränderungen, die man für notwendig erachtet, scheinbar nicht möglich sind.

Zunächst solltest du dir wie beschrieben die Frage stellen, ob die Situation, die dir nicht gefällt in deinem Einflussbereich liegt. Kannst du generell (auch wenn es Hindernisse gibt oder die Umsetzung eine zeitlang dauert) etwas daran ändern?

Wenn du diese Frage verneinen musst, bleibt dir nur übrig, diese Situation als (derzeit) gegeben hinzunehmen und/oder dennoch aktiv zu werden, wenn die Möglichkeit dazu besteht. Hängt die unbefriedigende Situation unmittelbar mit einem (dir nahestehenden) Menschen zusammen, so denke darüber nach, diesen aus deinem Leben zu verbannen.

Wenn du direkt Einfluss auf die Situation hast, dann beginne damit, diese zu verändern. Möglicherweise halten dich bestimmte Befürchtungen davon ab, diese Veränderungen anzugehen. Vielleicht befürchtest du, dass es noch schlimmer kommen könnte.

Vielleicht kann (kurzfristig) tatsächlich eine Verschlechterung eintreten. Aber wie groß ist die Gefahr, wenn dich die derzeitige Situation krank macht? Ist körperliche und psychische Gesundheit nicht unser höchstes Gut?

Sollten wir nicht alles dafür tun, um diese Gesundheit wieder herzustellen, auch wenn das bedeutet, dass die Umsetzung dieser Veränderung zunächst unangenehm und anstrengend sein kann?

Natürlich haben wir nicht die Garantie, dass die von uns umgesetzten Veränderungen letztlich zur Heilung führen und du deine Angststörung loswerden wirst, indem du genau diese Veränderungen umsetzt. Vielleicht verbessert sich gar nichts. Vielleicht. Ganz sicher aber wirst du deine Angststörung nicht los, wenn sich NICHTS verändert. Das kann ich Dir sogar garantieren.


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Angststörung


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  1. Hallo Sebastian,

    alles was ich bis jetzt von dir gelesen habe finde ich super und hilft mir auch richtig gut. Dazu muss ich sagen, dass ich schon viel verschiedenes gelesen und gemacht habe. Da war von sehr gut bis schlecht alles dabei. Vor allem bin ich nicht wirklich mit der (nicht meine erste) Therapie zufrieden. Bis jetzt hat mir alles besser geholfen, was ich selbst herausgefunden habe. Und das dauert natürlich seine Zeit. Vieles was du schreibst hab ich entweder schon gelesen oder auf irgendeine Art selber rausgefunden, trotzdem lese ich sehr gern von dir, weil du den Nagel auf den Kopf triffst und mir vieles wieder ins Gedächtnis rufst und du vieles gut in Worte fassen kannst. Woran ich aber nach wie vor scheitere, ist die Sache, dass ich nicht weiß, was ich verändern möchte? Bzw., wie findet man raus, was man anpacken sollte? Auch dahingehend packe ich vieles an, Dinge wie Gelassenheit trainieren und achtsamer durchs Leben gehen, wenn mein kopfkino beginnt Versuch ich zu meditieren, wenn ich unruhig bin geh ich spazieren, aber ich bin noch nicht am Ziel…. und wie findet man raus, was noch verändert werden muss? Sei es beruflich oder in der Partnerschaft, wie finde ich raus, was nicht läuft, der was ich möchte? Vor allem gibt es da ja auch noch Kinder….
    Es ist schwer für mich einen Zusammenhang zwischen Panikattacken und Auslöser zu erkennen, da bei mir die Panikattacken oft in Situationen kommen wo man denken könnte es gäbe gerade überhaupt keinen Grund dazu. Zum Beispiel am Abend, wenn alles ruhig ist. Ich hatte noch nie eine Panikattacke, wenn ich gebraucht werde zB. Meine Panikstörungen allerdings, eine latente Panik, eben die ganze Zeit, mit der kann ich parallel Leben (allerdings macht sie mich ungeduldig und aggressiv) und meine Aufgaben erfüllen.
    Ich würde mich sehr freuen, wenn du da noch einen Denkanstoß hast, wie man der Sache leichter auf den Zahn fühlen kannwoher es kommt und was ich packen muss.
    Danke für alles, was ich bis jetzt von dir lesen durfte und weiterhin lesen darf. Bald liegt dein Buch in meinem Briefkasten, was ich schon sehnlichst erwarte.

    Herzliche Grüße
    Johanna

    1. Hallo Johanna,

      danke für Deinen Kommentar und das Kompliment. Schön, dass Dir meine Inhalte gefallen. 🙂 Es ist in der Tat gar nicht so leicht herauszufinden, was man verändern sollte. Ich halte es für sinnvoll, einmal alles in Frage zu stellen und Dich gedanklich in die Situation zu begeben, wie sich diese Veränderung vermutlich anfühlen würde. Man muss natürlich nicht zwangsläufig einen Berufswechsel oder eine neue Partnerschaft anstreben. Derart tiefgreifende Veränderungen sind längst nicht immer erforderlich. Da Dich Deine Kinder in Deinem Handlungsspielraum einschränken (das ist nun einmal so und gar nicht böse gemeint), könnte Dir die Frage helfen, was Du tun würdest, wenn sie nicht da wären. Gerne kannst Du mir mitteilen, ob Du zu bestimmten Schlüssen kommst…
      Lieben Gruß.

      Sebastian

  2. Grüße Dich Sebastian,

    klar. Ohne Veränderung – keine Veränderung.

    Ich glaube der Punkt mit „vielleicht wird alles noch schlimmer“ hat viele Facetten.

    Und das ist doch auch die Frage. Eine Psychologin meinte mal im Bezug auf Traumata und damit verbundene Angststörungen: „Traumata sind wie Landminen. Die willst Du nicht einfach so aus buddeln. Da muss ein Fachmann ran.“

    Und das ist im Endeffekt ja doch die Frage, oder?

    Was packe ich noch selber und wo muss der Fachmann ran.
    Denn vielleicht trügt die eigene Vorsicht ja nicht.

    Von daher: Veränderung auf jeden Fall. Aber bitte mit Güte, Geduld und einem gesunden Respekt vor sich selber.

    Soweit.
    Danke für den Denkanstoß.
    Grüße

    1. Hallo Matthias,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Du hast natürlich recht. Meiner Erfahrung nach sind Traumata aber insgesamt eher selten der Grund für eine Angststörung. Meist ist es eine Verkettung mehrerer Faktoren. Und wie man es dann dreht und wendet. Veränderungen sind alternativlos, wenn man eine Situation verbessern will.

      „Von daher: Veränderung auf jeden Fall. Aber bitte mit Güte, Geduld und einem gesunden Respekt vor sich selber.“

      Das hast Du sehr schön gesagt und dem stimme ich uneingeschränkt zu!

      Lieben Gruß.

      Sebastian

  3. Hallo, leide seid 15 Jahren an panickattacken und Angststörung, nach dem Tod meiner Mutter ging es los. Bin in Therapie und manchmal komme ich mit allem klar, manchmal aber nicht. Habe mich vor vier Wochen von meinem Partner getrennt, natürlich weil ich in dieser Beziehung nicht mehr glücklich war. Jetzt bin ich wieder nur noch angespaant und die Panik schleicht sich wieder ein. Ich weiss das die Trennung das richtige war, trotzdem warte ich jeden Tag auf eine Nachricht / Anruf von ihm! Bin auch seid einem halben Jahr arbeitslos, was mich jetzt langsam auch richtig nervt, schreibe Bewerbungen, aber bis jetzt noch keine einzige Zusage! Alles finde ich im Moment alles andere als schön und dann wieder Panik und die ewigen Symptome! Habe schon vieles über Angst gelesen, zu letzt das Buch exfreundin Angst, aber zurzeit weiss ich wieder nicht, wie ich da mal wieder rauskomme! LG Melanie

    1. Hallo Melanie,

      wenn es gerade drunter und drüber läuft, dann ist es nicht verwunderlich, dass sich Angst- und Panikattacken vermehrt bemerkbar machen. Und es ist auch normal, dass du dich zunächst an die Trennung gewöhnen musst. Menschen mit einer Angststörung reagieren auf diese Veränderungen nicht selten zunächst mit vermehrter Angst. Ich kann dir nur raten, weiter zu machen und ein wenig Geduld zu haben. Das wird wieder!

      Lieben Gruß.

      Sebastian

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